Introduction
“Die Küchenuhr” (The Kitchen Clock), first published in 1947, is a popular short story by the renowned German writer Wolfgang Borchert (1921-1947), known for his powerful works that capture the profound impact of war on individuals and society. Borchert himself was deeply affected by his experiences as a soldier in World War II and used his writing to express the disillusionment and suffering of his times.
This short story is perhaps one of the most famous examples of the Trümmerliteratur (rubble literature) movement, a literary trend that emerged in Germany in the years following WWII. This literary movement was characterized by its focus on the destruction and devastation of the war, and the desperate search for meaning and identity in its aftermath, not just on a psychological but also on a deeper cultural level.
After the war Germany’s cities lay in ruins, just like its literature and language which had been twisted and weaponized under the Nazi regime. Writers like Borchert felt they had to start from zero, which is why this literary genre is also often called “Stunde Null” (zero hour) literature.
“Wir brauchen keine Dichter mit guter Grammatik. Zu guter Grammatik fehlt uns Geduld.” – We don’t need poets with good grammar. We don’t have the patience for good grammar. – Wolfgang Borchert
Borchert’s narrative style is characterized by its minimalist and evocative prose and was influenced by literary ideas like Hemingway’s Iceberg theory.
This is an approach where the author only presents the tip of the iceberg (the visible part) while leaving much of the story’s meaning and details hidden beneath the surface. In simple terms, it means that the author often doesn’t spell out everything explicitly. Instead, she gives readers just enough information to understand the story, but leaves many things unsaid, allowing readers to infer and imagine the deeper, unspoken meanings and emotions.
Not only does this approach allow readers to actively engage with the text by filling in the gaps with their own interpretations and emotions, but it also uses a somewhat limited vocabulary and minimal grammatical complexity which makes this genre an excellent starting point for German learners who want to delve into the world of German literature.
Below you’ll find the complete text of the original short story by Borchert, including in-line translation for key words and phrases (tap or hover over underlined words to see the English translation), and an excellent audio recording by Florens Schmidt (via vorleser.net) to follow along.
Die Küchenuhr – “The Kitchen Clock”
Sie sahen ihn schon von weitem auf sich zukommen, denn er fiel auf. Er hatte ein ganz altes Gesicht, aber wie er ging, daran sah man, dass er erst zwanzig war. Er setzte sich mit seinem alten Gesicht zu ihnen auf die Bank. Und dann zeigte er ihnen, was er in der Hand trug.
“Das war unsere Küchenuhr“, sagte er und sah sie alle der Reihe nach an, die auf der Bank in der Sonne saßen. “Ja, ich habe sie noch gefunden. Sie ist übriggeblieben.”
Er hielt eine runde tellerweiße Küchenuhr vor sich hin und tupfte mit dem Finger die blaugemalten Zahlen ab.
“Sie hat weiter keinen Wert,” meinte er entschuldigend, “das weiß ich auch. Und sie ist auch nicht so besonders schön. Sie ist nur wie ein Teller, so mit weißem Lack. Aber die blauen Zahlen sehen doch ganz hübsch aus, finde ich. Die Zeiger sind natürlich nur aus Blech. Und nun gehen sie auch nicht mehr. Nein. Innerlich ist sie kaputt, das steht fest. Aber sie sieht noch aus wie immer. Auch wenn sie jetzt nicht mehr geht.”
Er machte mit der Fingerspitze einen vorsichtigen Kreis auf dem Rand der Telleruhr entlang. Und er sagte leise: “Und sie ist übriggeblieben.”
Die auf der Bank in der Sonne saßen, sahen ihn nicht an. Einer sah auf seine Schuhe und die Frau sah in ihren Kinderwagen. Dann sagte jemand:
“Sie haben wohl alles verloren?”
“Ja, ja”, sagte er freudig, “denken Sie, aber auch alles! Nur sie hier, sie ist übrig.” Und er hob die Uhr wieder hoch, als ob die anderen sie noch nicht kannten.
“Aber sie geht doch nicht mehr”, sagte die Frau.
“Nein, nein, das nicht. Kaputt ist sie, das weiß ich wohl. Aber sonst ist sie doch noch ganz wie immer: weiß und blau.” Und wieder zeigte er ihnen seine Uhr. “Und was das Schönste ist”, fuhr er aufgeregt fort, “das habe ich Ihnen ja noch überhaupt nicht erzählt. Das Schönste kommt nämlich noch: Denken Sie mal, sie ist um halb drei stehengeblieben. Ausgerechnet um halb drei, denken Sie mal.”
“Dann wurde Ihr Haus sicher um halb drei getroffen“, sagte der Mann und schob wichtig die Unterlippe vor. “Das habe ich schon oft gehört. Wenn die Bombe runtergeht, bleiben die Uhren stehen. Das kommt von dem Druck.”
Er sah seine Uhr an und schüttelte überlegen den Kopf. “Nein, lieber Herr, nein, da irren Sie sich. Das hat mit den Bomben nichts zu tun. Sie müssen nicht immer von den Bomben reden. Nein. Um halb drei war ganz etwas anderes, das wissen Sie nur nicht. Das ist nämlich der Witz, dass sie gerade um halb drei stehengeblieben ist. Und nicht um viertel nach vier oder um sieben. Um halb drei kam ich nämlich immer nach Hause. Nachts, meine ich. Fast immer um halb drei. Das ist ja gerade der Witz.”
Er sah die anderen an, aber die hatten ihre Augen von ihm weggenommen. Er fand sie nicht. Da nickte er seiner Uhr zu: “Dann hatte ich natürlich Hunger, nicht wahr? Und ich ging immer gleich in die Küche. Da war es dann fast immer halb drei. Und dann, dann kam nämlich meine Mutter. Ich konnte noch so leise die Tür aufmachen, sie hat mich immer gehört. Und wenn ich in der dunklen Küche etwas zu essen suchte, ging plötzlich das Licht an. Dann stand sie da in ihrer Wolljacke und mit einem roten Schal um. Und barfuß. Immer barfuß. Und dabei war unsere Küche gekachelt. Und sie machte ihre Augen ganz klein, weil ihr das Licht so hell war. Denn sie hatte ja schon geschlafen. Es war ja Nacht.
So spät wieder, sagte sie dann. Mehr sagte sie nie. Nur: So spät wieder. Und dann machte sie mir das Abendbrot warm und sah zu, wie ich aß. Dabei scheuerte sie immer die Füße aneinander, weil die Kacheln so kalt waren. Schuhe zog sie nachts nie an. Und sie saß so lange bei mir, bis ich satt war. Und dann hörte ich sie noch die Teller wegsetzen, wenn ich in meinem Zimmer schon das Licht ausgemacht hatte. Jede Nacht war es so. Und meistens immer um halb drei. Das war ganz selbstverständlich, fand ich, dass sie mir nachts um halb drei in der Küche das Essen machte. Ich fand das ganz selbstverständlich. Sie tat das ja immer. Und sie hat nie mehr gesagt als: So spät wieder. Aber das sagte sie jedes Mal. Und ich dachte, das könnte nie aufhören. Es war mir so selbstverständlich. Das alles war doch immer so gewesen.”
Einen Atemzug lang war es ganz still auf der Bank. Dann sagte er leise: “Und jetzt?” Er sah die anderen an. Aber er fand sie nicht. Da sagte er der Uhr leise ins weißblaue runde Gesicht: “Jetzt, jetzt weiß ich, dass es das Paradies war. Das richtige Paradies.”
Auf der Bank war es ganz still. Dann fragte die Frau: “Und Ihre Familie?”
Er lächelte sie verlegen an: “Ach, Sie meinen meine Eltern? Ja, die sind auch mit weg. Alles ist weg. Alles, stellen Sie sich vor. Alles weg.”
Er lächelte verlegen von einem zum anderen. Aber sie sahen ihn nicht an.
Da hob er wieder die Uhr hoch und er lachte. Er lachte: “Nur sie hier. Sie ist übrig. Und das Schönste ist ja, dass sie ausgerechnet um halb drei stehengeblieben ist. Ausgerechnet um halb drei.”
Dann sagte er nichts mehr. Aber er hatte ein ganz altes Gesicht. Und der Mann, der neben ihm saß, sah auf seine Schuhe. Aber er sah seine Schuhe nicht. Er dachte immerzu an das Wort Paradies.
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Vocabulary
Discussion
The following questions can be used to further discussions and conversations, either in class or during self-study:
- Who is the protagonist of the story, and what is their primary concern?
- Describe the significance of the kitchen clock in the story. How does it symbolize a central theme?
- What is the setting of the story, and how does it contribute to the overall atmosphere and mood?
- How does the story depict the impact of war on the characters, particularly the protagonist?
- Discuss the relationship between the protagonist and the kitchen clock. What does it reveal about the character’s emotional state?
- What role do the other characters in the story play, and how do they interact with the protagonist?
- Explain the importance of the narrative style and language used by the author in conveying the story’s themes and emotions.
- What does the ending of the story suggest about the protagonist’s state of mind and the overall message of the narrative?
- How does “Die Küchenuhr” fit into the context of Trümmerliteratur (rubble literature) and the post-World War II period in Germany?
- What emotions or ideas do you think the author wants readers to take away from the story, and why?
Notes
I added dialogue tags (in double quotes) to indicate direct speech where the original text omitted them. Also I corrected the spelling to conform with modern German orthography reform, e.g. daß -> dass, jedesmal -> jedes Mal, etc.
Credits
Copyright of original text: public domain (since 2018)
Narration: vorleser.net, Florens Schmidt
Translation & code: André Klein
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